25. September 2011 2011-09-25 17:38:15
Droht Griechenland die Insolvenz noch in diesem Herbst oder gibt es einen weiteren Aufschub von drei Monaten? Diese Frage klärt sich in den kommenden Tagen, wenn die Fachleute des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank nach Athen zurückkehren und über die Auszahlung der nächsten Hilfstranche von 8 Milliarden Euro entscheiden. Zudem stimmt der Bundestag am Donnerstag darüber ab, ob sich die Regierung an der Ausweitung des Rettungsfonds EFSF beteiligen darf.
Ohne Entscheidungen für weitere Stabilisierungsschritte und Hilfen für die finanzschwachen Länder droht eine Zuspitzung der Schulden- und Finanzkrise, das ist sicher. Sicher ist allerdings auch, dass mit ihnen auch im vierten Jahr der Krise keine Stabilität erreicht worden ist, im Gegenteil: Auf den Kapitalmärkten ist eine beunruhigende Kapitalflucht zu beobachten. Seit Monaten ziehen die Gläubiger europäischer Banken ihre Einlagen ab, bislang – nach den jeweils einige Wochen alten Daten zu urteilen – in mäßigem Tempo. Das betrifft vor allem die Banken der finanzschwachen Peripherieländer. Aber nicht nur diese, denn amerikanische Geldmarktfonds misstrauen auch italienischen und französischen Banken und reduzieren ihre Dollarausleihungen an sie.
Mehr Bankenkapital allein reicht nicht
Innerhalb es Euroraums springen die Notenbanken des Euro-Systems ein und ersetzen die Euro-Kredite, die private Banken ihren Konkurrenten nicht mehr geben, durch Zentralbankkredite. Das jedoch erhöht die Risiken in ihren Bilanzen. Dieser seit nun zwei Jahren andauernden Bewegung begegnen die Staaten nun und drängen die schwächsten europäischen Banken, die nicht einmal den nicht allzu harten Stresstest im Sommer bestanden, dazu, früher als geplant Kapital aufzunehmen. Zumindest signalisierten sie das während der Jahrestagung des IWF in Washington. Die arg gebeutelten Bankenaktien könnten also weiter im Fokus der Investoren stehen. Mit mehr Bankenkapital allein ist es indes nicht getan. Dahinter steht zwar die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Banken von der Kreditwürdigkeit ihres Heimatlandes entkoppelt wird. Doch solange einigen Eurostaaten die Insolvenz droht, wird hinter die Banken ein Fragezeichen gesetzt.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann, forderte am Wochenende die Regierungen in Europa zu einem abgestimmteren Kurs zur Lösung der Euro-Schuldenkrise auf. Jüngste Signale für eine engere Koordination der Wirtschaftspolitik gingen in die richtige Richtung, sagte Ackermann in seiner Funktion als Präsident des Weltbankenverbands IIF in Washington. Zugleich bekräftigte er, dass auch die Banken ihren Teil zur Lösung der Schuldenkrise beitragen wollten. So forderte er die privaten Gläubiger Griechenlands auf, sich an dem neuen Hilfspaket für das hoch verschuldete Land zu beteiligen. Bislang machen Finanzkreisen zufolge rund 75 Prozent der Investoren mit – der IIF hofft auf 90 Prozent. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble deutete in Washington indes an, dass die private Beteiligung von Banken an dem zweiten Rettungspaket für Griechenland womöglich neu überdacht werden müsse.
Kleine Verluste tolerieren, große vermeiden
http://www.faz.net/artikel/C30770/n...alen-schuldenkrisen-abgeschirmt-30449570.html
In der Euro-Schuldenkrise geht es längst nicht mehr nur um Griechenland oder Portugal allein. Die Kapitalflucht ist dort zwar am gefährlichsten, sie ist aber auch auf anderen Märkten und in anderen Ländern zu beobachten. Anleger aus aller Welt reduzieren Risiken und versuchen, Vermögen in die sichersten Anlagen zu tauschen. Innerhalb des Euroraums ist das vor allem der Markt für deutsche Staatsanleihen. Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren rentieren derzeit mit rund 1,7 Prozent; das ist wenig mehr als der Leitzins. In den finanzschwachen Euroländern sind die Zinsen dagegen hoch. Nur weil die EZB derzeit täglich mit mehr als zwei Milliarden Euro auf dem Anleihemarkt eingreift, bleiben die Finanzierungskosten für den italienischen und den spanischen Staat unter 6 Prozent in der zehnjährigen Fristigkeit. Außerhalb des Euroraums zählt die Schweiz zu den sicheren Häfen.
Dort interveniert die Nationalbank auf dem Devisenmarkt und verteidigt so einen Wechselkurs von 1,20 Franken je Euro. Das dadurch geschaffene Geld hat auf dem Schweizer Anleihemarkt zu der skurrilen Situation geführt, dass Frankentitel gekauft werden, obwohl sie eine negative Rendite aufweisen. Für Anleger wäre es also eigentlich günstiger, Bargeld zu halten. Doch sie scheinen kleine Verluste inzwischen zu tolerieren – Hauptsache, sie vermeiden große.
Musterknabe Irland
So lange die Frage ungeklärt ist, welche Euroländer wann und zu welchen Bedingungen einen Schuldenschnitt vollziehen werden, so lange wird die Nervosität auf den Finanzmärkten chronisch sein. Aber selbst ein Schuldenschnitt garantiert die Genesung nicht. Denn die dritte offene Flanke neben den schwachen Banken und den schwachen Staatsfinanzen ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euroländer. In dieser Hinsicht zeigt die Entwicklung in Europa Schatten und immerhin auch ein wenig Licht, zeigt eine Analyse der Commerzbank. Der Musterknabe ist Irland. Vor der Krise waren dort die Lohnstückkosten in den neun Jahren bis 2008 um gut 25 Prozent und damit besonders stark gestiegen. Doch ohne großes Palaver und ausufernde Streiks sind seitdem die Wettbewerbsnachteile im Vergleich zum europäischen Durchschnitt auch wieder um 20 Prozent verringert worden. Spanien macht gute Fortschritte, Griechenland kommt etwas langsamer voran und Portugal noch langsamer. Für Italien hat sich die Wettbewerbsposition seit 2008 dagegen sogar etwas verschlechtert.
Die Anpassung, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat gerade für Griechenland zehn Jahre veranschlagt, wird erschwert durch sich eintrübende Konjunkturaussichten. Der Ifo-Index zum Geschäftsklima könnte an diesem Montag Hinweise geben, ob der Zenit des Konjunkturzyklus in Deutschland überschritten ist. Am Dienstag erlaubt der Case-Shiller-Index einen Blick auf den amerikanischen Immobilienmarkt. Erwartet wird ein Preisverfall um 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für Mittwoch wird von Analysten außerdem ein Rückgang der Auftragseingänge in der amerikanischen Industrie befürchtet. Schlechte Nachrichten aus Amerika könnten also die ohnehin angespannte Stimmung in Europa belasten.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: F.A.Z.