Washington/Berlin (Reuters) - Angesichts der Sorgen um Griechenland und die Weltkonjunktur wächst der Wunsch, schneller wirksame Instrumente im Kampf gegen die Schuldenkrise zur Verfügung zu haben.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle regten am Wochenende an, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM bereits im nächsten Jahr und nicht erst Mitte 2013 zur Verfügung stehen sollte. Dagegen drängen die USA die Euro-Länder, den vorläufigen Rettungsschirm EFSF weiter aufzustocken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) will bis April entscheiden, ob er genug Kapital hat, um angesichts der Gefahr einer um sich greifenden Verunsicherung an den Finanzmärkten ein Sicherheitsnetz für angeschlagene Staaten zu spannen.
Vor allem die schnellere Einführung des ESM könnte die Debatte in der Euro-Zone erheblich verändern. Der Mechanismus gilt nämlich als Voraussetzung dafür, dass ein "geordnetes" Insolvenzverfahren für Staaten überhaupt in Gang gesetzt werden kann. Hintergrund ist, dass neue Staatsanleihen der Euro-Staaten mit Inkrafttreten des ESM eine Klauseln enthalten sollen, in der sich Investoren zur Teilnahme an einem möglicherweise nötig werdenden Schuldenschnitt verpflichten. Dies könnte etwa den Umgang mit dem hochverschuldeten Griechenland verändern.
"Wenn der früher in Kraft gesetzt werden kann, dann hätten wir nichts dagegen", sagte Schäuble in Washington am Rande der IWF-Tagung zu den ESM-Überlegungen. Der ESM könne als dauerhafte Einrichtung eine ganz andere vertrauensbildende und stabilisierende Wirkung entfalten als der vorläufige Rettungsschirm EFSF, dessen Ausweitung der Bundestag am Donnerstag zustimmen soll.
Weil der dauerhafte Rettungsschirm mit seinem Instrumentenkasten die Voraussetzung für jede Debatte über eine geordnete Insolvenz sei, sollte die Politik "alle Anstrengungen" versuchen, dessen Inkrafttreten von Mitte 2013 vorzuziehen, sagte auch Barthle. Zeitlich wird dies allerdings wegen der nötigen Ratifizierungsverfahren in den 17 Euro-Staaten schwierig: Auch in Deutschland verschiebt sich die geplante Abstimmung in Bundestag und Bundesrat auf Anfang 2012.
STÄRKERE BETEILIGUNG DER BANKEN ERWOGEN
Barthle sieht ein früheres Inkrafttreten des ESM vor allem als Chance, um private europäische Banken stärker an der Lösung der Schuldenkrise in Griechenland zu beteiligen als bisher geplant. "Die Banken müssen sehen, dass sie, wenn es zu einer geordneten Umschuldung kommen sollte, nicht außen vor bleiben können", mahnte Barthle. Bis zum Inkrafttreten des ESM müsse es aber bei einer freiwilligen Vereinbarung des Privatsektors bleiben, weil sonst ein "default" ausgelöst würde. Dieser würde sich negativ auf alle Kreditversicherungen auswirken, was nicht riskiert werden dürfe, erklärte der CDU-Politiker.
Laut "Spiegel" sieht man im Finanzministerium noch einen weiteren Vorteil eines früheren Inkrafttretens des ESM. So würden sich künftig die Nachfragen nach einem Pfand erübrigen, das etwa Finnland für weitere Hilfe von den Griechen fordert. Denn der ESM soll über ein eingezahltes Kapital von 80 Milliarden Euro verfügen, das als Sicherheit dient.
Die Forderung nach einem Vorziehen des ESM ist auch eine Reaktion auf den Druck vieler Länder wie USA, China und Kanada, das Volumen des vorläufigen Rettungsschirms EFSF noch stärker aufzustocken. Der EFSF soll künftig Kreditgarantien über 440 Milliarden Euro übernehmen können. Eine weitere Aufstockung lehnen die Europäer aber ab. Dies würde auch rechtliche Probleme aufwerfen, weil etwa der Bundestag am Donnerstag über die deutsche Zustimmung zu den aufgestockten EFSF-Garantien beschließen soll. Eine erneute Änderung an den Inhalten würde ein neues parlamentarisches Verfahren erfordern.
EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte in Washington aber zu, dass die Europäer nach der schon verabredeten EFSF-Stärkung darüber sprechen würden, wie man möglichst viel aus dem Geld machen und eine "Hebelwirkung" entfalten könne. "Wir suchen einen Mechanismus, wie wir aus einem Euro im EFSF fünf machen können", beschrieb ein EU-Diplomat die Aufgabenstellung. Auch Schäuble sprach von einer möglichst effizienten Mittelnutzung. Analysten äußerten sich positiv.
Drittes Element der Debatte ist, die Banken auch bereits vor Inkrafttreten des ESM stärker etwa an der Hilfe für Griechenland zu beteiligen. Schäuble kündigte an, dass noch einmal über die umstrittene Bankenbeteiligung am verabredeten zweiten Griechenland-Paket gesprochen werde. Vor dem Bankenverband IIF ließ er keinen Zweifel daran, dass er generell eine Beteiligung privater Gläubiger an Hilfepaketen für Krisenländer befürwortet. Es sei offensichtlich, dass sich die Voraussetzungen gegenüber Juli, als das zweite Hilfepaket verabredet wurde, geändert hätten. Was das zur Folge habe, werde man besprechen. Auch hierfür bekommt er Rückenwind aus dem Bundestag. "Ich halte es durchaus für sinnvoll, in dieser Richtung weiter zu verhandeln", sagte Barthle als haushaltspolitischer Sprecher der Union.